
5. November
Heute sind wir bei der Familie von Sr. Carmela zum Mittagessen eingeladen. Sie wohnen in Antananarivo im sog. „Siebenundsechzigsten“. Das ist ein Stadtviertel, das einmal vom Präsidenten für Angestellte der Regierung etc. errichtet wurde, dann aber hat er es zum Verkauf freigegeben. Wir essen bei der Nichte von Sr. Carmela, Michaela. Sie wohnt hier in einem Haus im vierten Stockwerk in einer großen Wohnung. Sie arbeitet im Arbeitsministerium, das nicht weit von hier ist. Auch zwei Schwestern von Sr. Carmela sind gekommen: Nadette und Isabell. Nadette hat im Umweltministerium gearbeitet, seit Februar dieses Jahres ist sie in Rente, weil sie 60 geworden ist. Mehrere Male bietet sie uns an, bei der Neugründung behilflich zu sein, weil sie ja jetzt in der Rente Zeit hat und viel Erfahrung in der Administration hat, wenn es z.B. um Verträge, das Finden richtigen Baufirmen etc. geht. Wir sagen erfreut zu. Nadette und Michaela engagieren sich in der Partei der Grünen in Madagaskar. Da hat jetzt schon der Wahlkampf begonnen, weil nächstes Jahr Präsidentschaftswahlen sind. Die beiden sind jetzt schon propagandamäßig unterwegs.
Zum Aperitif gibt es kleine Käsewürfelchen, Chips, kleine sowas wie Jägerwurstwurststückchen und kleine Partywürstchen, dazu Madagassisches Bier der Brauerei THB – sehr gut! Zum Essen gibt es dann Karottengemüse, Scampi und Kartoffelsalat und Brot als Vorspeise, als Hauptspeise dann Thunfisch, in Kokosmilch gebraten, sehr fein, mit Reis, Kartoffelsalat und Brot. Dann kommt ein Käsegang mit zweierlei Käse und dann als Abschluss sehr saftige Äpfel, weil Michaela die Trauben, die sie eigentlich anbieten wollte, nicht mehr bekommen hat. Den Kaffee mit kleinen süßen Stückchen hatten wir schon ganz zu Beginn, als wir gekommen sind, weil Sr. Julia ihnen erzählt hat, dass ich im Auto geschlafen habe, weil ich so müde bin und einen Kaffee bräuchte.
Es war eine sehr schöne, interessante Begegnung und wir hatten einen sehr intensiven Austausch (auf Französisch). In der Familie sprechen alle gut Französisch, weil schon der Vater in der Regierung gearbeitet hat und die Mutter Lehrerin war.
Dann hat uns der Chauffeur, der uns schon in Anjomakely abgeholt hat, auch wieder zurückgebracht. Er hat unten vor dem Haus auf uns gewartet. Er ist im Büro der Regierung (unter Nadette und Michaela) angestellt als Fahrer.
Wir kommen am späten Nachmittag zurück. Um 18.00 Uhr ist Messe mit den Kindern des Orphelinats. Ein P. Eduard von den „MEP“s (Missionaires etrangeres de Paris) ist hier immer von Freitagabend bis Sonntag, um die Messe zu halten. Er spricht aus Prinzip mit niemandem Französisch, obwohl er Franzose ist. Er spricht nur Malgasch. Wenn man nicht Malgasch kann, hat man Pech gehabt, wie ich z.B. Aber auch die Gruppe der Assoziation „Coeur du Monde“, die gerade für ein paar Tage hier sind. Auch mit ihnen hat er nicht gesprochen, weil sie nur Französisch und nicht Malgasch können.
„Coeur du Monde“ ist eine französische Wohltätigkeitsinitiative, die hier in Madagaskar, im Senegal, in Haiti und jetzt auch in der Ukraine finanzielle Unterstützung an Personen und Projekte gibt, die die Benachteiligten und Armen unterstützen. Mit der Hilfe von „Coeur du monde“ hat Sr. Elsy hier in Anjomakely begonnen, die ersten Häuser und auch die Verpflegung etc. wurden von „Coeur du Monde“ bezahlt. Patrick ist der Chef, er hat 5 Leute dabei, die sich mit ihm engagieren, lauter Franzosen und Französinnen. Mit dieser Gruppe und dem Konvent essen wir zu Abend (ohne Sr. Elsy und Sr. Marie-Louise, weil die noch Generalkapitel haben).
Patrick war es, der Sr. Elsy dazu gebracht hat, ihr „altes Leben“ als Krankenschwester in Mahajanga aufzugeben und hier in Anjomakely zu beginnen.
Die Gruppe kommt aus dem Süden Madagaskars, nahe Tulear, wo gerade eine extreme Dürre und Hungersnot herrscht, hier haben sie ein Projekt gestartet. Sie haben vor, weiterzufahren zu den Franziskanerinnen in Tana und nach Tamatave etc., wo sie auch Projekte unterstützen. Vor der Covid-Pandemie waren sie etwa zweimal pro Jahr hier, jetzt sind sie zum ersten mal nach Covid wieder da.
Sonntag, 6. November
Weil wir heute so früh schon auf den Beinen sind, sehen wir die Kinder in Eimern Wasserholen für die Morgenwäsche bzw-Dusche (ein oder manchmal sogar zwei Eimer pro Kind). Es gibt ja hier kein fließendes Wasser.
Die Gruppe von Coeur du Monde hat uns angeboten, mit Ihnen heute nach Tana zu fahren zum großen Sonntagsgottesdienst von Padre Pedro in Akamasoa. Dort nehmen ja immer mind. 3000 Leute teil. Wir nehmen das dankbar an und starten in ihrem 12-Sitzer-Bus mitsamt ihrem Chauffeur und ihrem Guide um 6.30 Uhr nach Tana. Unterwegs, kurz vor Akamasoa, wollen sie auch noch zwei Franziskanerinnen auf die zwei noch freien Plätze in den Bus einsteigen lassen.
Als wir an die Bushaltestelle kommen, sehen wir nur eine Franziskanerin, aber dafür noch drei weitere Erwachsenen und zwei Kleinkinder, die alle mitwollen. Was macht man da? In Madagaskar lässt man alle einsteigen und wir pressen uns im Wagen einfach alle zusammen. Die Ehepaare nehmen den Partner auf den Schoß, die Kinder kann man „oben drüber“ legen und so fahren wir mit 17 Personen in einem 12-Bus die letzten ca. 5 Kilometer nach Akamasoa.
Als wir in Akamasoa in die große Gottesdiensthalle reingehen, werden wir erst mal registriert. Das macht man hier mit allen Fremden (Ausländern), weil die oft von Wohltätigkeitsorganisationen etc. kommen und dann im Gottesdienst zum „Danke sagen“ genannt werden. Dann führt uns ein freundlicher junger Mann auf die Tribüne der Ehrengäste. Hier in der Halle sitzen alle auf Tribünen, bei den Gästen von auswärts ist ein buntes Tuch auf die kalten Betonstufen gelegt. Aus großen Lautsprechern kommt jetzt schon Musik sozusagen zum „Aufwärmen“. Padre Pedro ist heute nicht da, er ist gerade für zwei Wochen auf einer Versammlung der Lazaristen in Reunion. Der Priester heute ist einer seiner Mitbrüder aus dem Lazaristen-Orden.
Der Gottesdienst ist ein riesiges Fest mit begeisterten Gesängen und Tänzen. Es gibt, wie oft hier in Madagaskar, eine große Gruppe von Moderatorinnen/Animatorinnen. Sie machen z.B. die Einleitung zum Gottesdienst, die Dankansprachen an die Wohltäter, die Erklärungen zum Gottesdienst, die Fürbitten zusammen mit dem Chor etc. Der Chor ist sehr wichtig, weil er die Gesänge organisiert. In Madagaskar gibt es keine Gesangbücher, alles wird auswendig gesungen. Nach jeder Fürbitte z.B. eine andere mehrstimmige Melodie. Es gibt auch eine Riesen-Gruppe von Kommunionhelferinnen, hauptsächlich Frauen, die von Pfadfindern begleitet sind.
Die Liturgie wird nochmal besonders lebendig durch „großen Gesten“. Es gibt z.B. eine Prozession, bei der das Evangelium vor der ersten Lesung hereingetragen wird von hinten quer durch die ganze Halle hereingetragen wird. Dafür sind einige hundert Leute aufgestellt – in besondere Tücher gehüllt - , um das Hereintragen des Evangeliums im Tanz feierlich zu präsentieren. Das Evangelium wird übrigens von einer Frau hereingetragen. Der Priester nimmt es in Empfang und geht damit auch nochmal durch die ganze Halle vor und zurück, mit begeistertem Gesang und lauter Musik begleitet. Da wird das Wort Gottes auch sinnenfällig so richtig gefeiert.
Auch mit den Gaben für die Eucharistie gibt es eine solche große Prozession. Auch sie werden durch die ganze Halle von hinten bis nach vorn zum Altar sozusagen „hereingetanzt“.
Die Messe hat an die drei Stunden gedauert und war keinen Augenblick langweilig. Als sie aus ist, tanzen die jungen Leute beim Hinausgehen noch weiter, die Musik spielt ja auch noch weiter aus den Lautsprechern.
P. Lambert, der Vize-Rektor der Katholischen Universität von Antananarivo holt uns ab und bringt uns zurück nach Anjomakely. Sr. Julia kennt ihn gut, er war schon öfters in Bellemany. Sr. Julia fährt dann mit ihm zu ihrer Familie (bis morgen Nachmittag).
Hier in Anjomakely schaue ich am Nachmittag zu, als die Kinder des Orphelinats Tänze proben, im Alter gestaffelt. Die älteren bilden eine Gruppe, die mittleren und die ganz kleinen, ab vier Jahre. Alle schauen jeweils bei den andern zu oder versuchen, die Tänze mit zu lernen. Es war sehr unterhaltsam!
Am Abend gibt es dann eine Präsentation dieser Tänze für die Gruppe von „Coeur du Monde“ und für alle Gäste und Schwestern, die da sind. Ein älteres Mädchen hat eine Dankansprache vorbereitet - und trägt sie auch ganz professionell vor - für alles das, was Coeur du Monde für das Orphelinat getan hat und immer noch tut.
Anschließend gibt es ein großes gemeinsames Abendessen aller, auch Sr. Elsy und Sr. Marie-Louise sind jetzt dabei, weil ihr Generalkapitel jetzt zu Ende ist. Im Aspirantinnenhaus wurde dafür eine große hufeisenförmige Tafel von Tischen aufgestellt. Es gibt, Reis, Huhn, gekochte Bohnen und eine Art Pfannkuchen (Galettes), die etwas süßlich schmecken, die sind eine indische Spezialität. Dazu Wasser oder gekochtes Reiswasser. Ich habe mich an das Reiswasser schon gewöhnt, sodass ich es inzwischen immer nehme.











