
Heute gibt es wieder eine Seite aus M. Priorins Reisetagebuch. Übrigens ist in Madagaskar gerade Sommer und alles steht in voller Blüte. Die Insel hat überhaupt eine sehr reiche Flora und Fauna und ist für Tier- und Pflanzenforscher das reinste Eldorado.
10. November
Heute holt uns der Weihbischof von Antananarive, Monseigneur Pascal, ab zu einer kleinen Tour durch Antananarive. Mit ihm waren wir schon 2017 einige Tage unterwegs in der Diözese Antsirabe, als er dort noch der Rektor des Priesterseminars war. Er ist ein „alter Freund“ und „großer Bruder“ von Sr. Julia. Sie kennen sich gut aus der Zeit, in der Sr. Julia hier in Tana eine Art Funktionärin der Jugendarbeit war.
Wir fahren mit seinem großen Auto (mit Chauffeur) zunächst zur Kathedrale von Antananarivo. Dort stößt auch P. Leonce zu uns, der schon seit gestern hier in Tana ist. Gleich neben der Kathedrale ist ja das Priesterhaus mit ca. 180 Zimmern, in dem jeder Priester, der hierherkommt, übernachten kann.
Die beiden wollen uns eine Anbetungskapelle zeigen, die unter Bischof Odon hier vor einigen Jahren errichtet wurde. Neben der Kathedrale müssen sie zunächst ein Gartentor aufsperren, dann geht es eine steile Treppe nach unten. Dann kommt man zum Eingang des als Oktogon neuerrichteten Gebäudes, das sich über drei Etagen an den Steilhang anschmiegt. Obendrauf steht eine riesige Muttergottes-Statue, die in der Nacht beleuchtet ist und in ganz Tana zu sehen ist. Hier ist ja einer der höchsten Punkte der Stadt.
Die Architektur dieses Gebäudes ist super, man hat durch eine runde Fensterfront einen gigantischen Ausblich hinunter auf die Stadt. Doch zeigen sich schon jetzt erste Zeichen des Verfalls. Das Gebäude wird nämlich praktisch nicht genutzt. Wir steigen die Treppe hinunter zur untersten Etage. Hier steht eine wunderschöne alte Monstranz, und ich dachte erst, dass hier freilich nicht „ausgesetzt“ ist. Doch dann sagten die beiden, dass das hier eine Dauerexposition des Allerheiligsten ist, obwohl hier ja niemand herkommt. Im Stockwerk darüber ist eine Art Gruppenraum. Dieses Bauwerk ist ein Beispiel für eine absolute Fehlinvestition. Hier wurden Unmengen von Geld hineingesteckt und es funktioniert nicht. Niemand findet hierher zur Anbetung oder sonst irgendwas. Der Zugang ist ja zugesperrt und es gibt auch keine Hinweisschilder am Platz vor der Kathedrale. Etwas hilflos gestehen die beiden Priester, dass man nicht weiß, was man damit jetzt anfangen soll.
Zudem ist ja auf dem Platz vor der Kathedrale die kleine Kapelle mit dem Grab der seligen Victoire, die hier sehr verehrt wird. In dieser Kapelle ist neben dem Sarkophag ein kleiner Tabernakel. Als wir hineingehen, sind hier etwa 10 Leute ganz intensiv im Gebet. Diese Kapelle ist sozusagen ein „natürlicher“ Gebetsort, kein „synthetischer“. Draußen an der Kapelle gibt es auch eine Quelle, an der die Leute ihre Wasserflaschen auffüllen und dann auf den Sarkophag stellen, damit das Wasser die Kraft der seligen Victoire aufnimmt.
Wir machen noch einen Abstecher zur Schule, in die Sr. Julia gegangen ist. Sie liegt nur etwa 100 m vom Kathedralplatz entfernt. Dann fahren wir weiter durch die Stadt zu einer Pfarrei, in der P. Pascal etwa ein Jahr Pfarrer war, bevor er Weihbischof wurde. „Fahren“ ist gut gesagt, denn wir stehen bestimmt mindestens eine Stunde im Stau, bei großer Hitze (um die 30 Grad). Das ist nicht ungewöhnlich. Stau ist normal in Tana, versichern mit alle. An diesem Tag in Tana, wo wir verschieden Ziele angefahren haben, standen wir sicher insgesamt mindestens 3 Stunden im Stau. Zweimal wurde der Stau mitverursacht durch eine Polizeieskorte, einmal für den Präsidenten und einmal für den Verteidigungsminister, die sich mit der Eskorte einen Weg durch die verstopfte Stadt bahnen ließen und dadurch den Stau verstärkten. In Tana sind viele alte Lastwägen und Autos unterwegs, die in Europa ausrangiert wurden, ohne Katalysatoren etc. Daher riecht es hier stechend nach Abgas und über der Stadt steht eine Wolke aus Rauch. Ich dachte erst, dies sei Nebel oder Dunst. Aber nein, es sind die Autoabgase und der Rauch, der durch die vielen offenen Feuer in den kleinen Geschäften am Straßenrand etc. verursacht wird. An den Straßenrändern sehen wir überquellende Müllcontainer, in denen ganz arme Leute noch nach etwas Brauchbarem suchen. Meist liegt mehr neben den Containern als drinnen.
Wir kommen dann also in der früheren Pfarrei von P. Pascal endlich an. Hier gibt es eine Schule, die von der Pfarrei geführt wird, daher laufen viele Schülerinnen und Schüler herum. Am Pfarrbüro neben der Kirche ist, oben in einem zweiten Stockwerk eine kleine Anbetungskapelle eingerichtet, die uns P. Pascal zeigen möchte. Sie wird genutzt und hat auch eine gute Atmosphäre. Dann führt uns der jetzige Pfarrer durch seine Pfarrkirche. Sie ist sehr groß und bietet Platz für ca. 500 Leute. Er erzählt uns, dass hier am Sonntag fünf Gottesdienste sind und dass die Kirche dabei in der Regel voll ist. Der erste Gottesdienst ist um fünf Uhr morgens, dann folgt alle zwei Stunden ein weiterer. Das Animationsteam und der Priester wechseln natürlich. Meist schaffen sie es nur knapp, mit einem Gottesdienst fertig zu werden, bis der nächste beginnt, weil ja zwei Stunden eine sehr kurze Zeit sind für eine Messe in Madagaskar.
In Madagaskar fangen die Leute früh am Morgen mit allem an. Am Morgen wird es sehr früh hell und es ist noch kühl. Die Sonntagsgottesdienste sind in der Regel ab fünf Uhr/sechs Uhr am Morgen; da öffnen auch schon die Geschäfte an den Straßen.
Zum Mittagessen sind wir bei einer Dame eingeladen, die eine Mitarbeiterin in der Pfarrei von P. Pascal war. Sie führt uns in ein großes, stattliches Haus, das sie kommerziell für Hochzeitsfeiern vermietet. Ein großer Saal mit großem Außen-Schwimmbecken, von Palmen und tropischen Gewächsen eingesäumt, das dann auch von den Hochzeitsgästen genutzt werden kann. Fanny, so heißt die Frau, freut sich riesig, dass wir bei ihr essen. Sie erzählt uns auch, dass sie in einer Gruppe von Frauen ist „Garde d'honneur“, die sich pro Tag eine Stunde Zeit nehmen entweder zur Anbetung oder zur Rosenkranzbeten oder Schriftlesung etc. Sie ist auch sehr engagiert in der Animation der Pfarrei, organisiert Gottesdienste etc. Sie ist auch gerade dabei, eine Grotte für die Gottesmutter Maria errichten zu lassen. Wir schauen uns die Baustelle an und das Gelände drumherum und machen uns dann auf den Weg zu unserem nächsten Ziel: das große Gelände, auf dem Papst Franziskus 2019 bei seinem Pastoralbesuch hier in Madagaskar den Gottesdienst gehalten hat. Es waren wohl so etwa eine Million Menschen hierher gekommen um mitzufeiern Das Gelände ist riesig (über 300 Hektar). Es war einmal geplant, dass nach dem Papstbesuch hier eine Klinik, eine Universität errichtet wird, aber nichts ist bisher geschehen, das Gelände liegt brach. Auf einem Teil des Geländes ist ein von der Diözese eingerichtetes landwirtschaftliches Versuchsgelände. Das besuchen wir kurz. Hier werden z.B. Reissorten gezüchtet, die weniger Wasser brauchen.
Danach fahren wir (mit viel Stau) nocheinmal den steilen Berg hinauf zur Kathedrale und zum Palast der letzten Königin von Madagaskar. Der Palast ist vor einigen Jahren abgebrannt und wird gerade wieder neu aufgebaut, deshalb kann man ihn innen nicht besichtigen. Aber ein Führer erklärt uns beim Umrunden des Palastgeländes, was es mit den einzelnen Gebäuden auf sich hat. Von hier aus hat man rundherum ein wunderbares Panorama der Stadt. Ein relativ kleiner See, erklärt uns der Führer, ist das Wassereservoir der Stadt. Als ich mich etwas skeptisch zeige, ob das reicht für eine Stadt mit gezählt 4 Millionen Einwohnern (geschätzt sieben Millionen), erklärt er: in Tana haben nur etwa 35 % der Einwohner fließendes Wasser, alle anderen müssen sich das Wasser in Kanistern literweise kaufen und das ist für viele große Familien sehr sehr teuer, kaum bezahlbar.
Nach der Palastbesichtigung wird es schon dunkel und wir machen uns im Wagen von P. Leonce auf den Weg zurück nach Anjomakely
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