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DIENSTAG, 24. OKTOBER 2023
Heute Morgen haben Sr. Julia, Sr. Fabienne und Bernadette schon vor dem Frühstück den Hühnerstall gereinigt. Sie bringen die Exkremente in eine Grube auf dem Gelände. Dort werden sie mit anderen Küchenabfällen oder Kompost vermischt und sind so ein begehrtes Düngemittel, das die Schwestern auch verkaufen.
Heute wollten wir eher zu Mittag essen (mit der Mittagshore zuvor), weil wir am Nachmittag um 15 Uhr einen Termin beim neuen Bischof von Antananarive, Bischof Jean de Dieu, haben. Sr. Julia hatte diesen Termin mit ihm vereinbart, damit er mich und Sr. Mirjam kennenlernen kann.
Beim Hineinfahren in die Stadt hatten wir natürlich den obligatorischen Stau, aber nicht ganz so massiv wie gestern. Das Bischofspalais liegt ganz oben auf einem der großen Hügel Antananarivos, auf gleicher Höhe mit dem Königinnen-Palast und dem Palast des Präsidenten.
Wir kommen schon etwa eine halbe Stunde vor dem Termin dort an. Da waren auf dem Platz vor der Kathedrale unzählige Priester versammelt. Heute war ein großer Tag für die Priester der Diözese. Hier wird an einem bestimmten Tag, - und der war heute - öffentlich verkündet, welcher Priester in welche Pfarrei versetzt wird. Angeblich wissen es alle zuvor nicht. Auch der Priester unserer Pfarrei Anjomakely, P. Jaques-Leonce, rechnete fest mit einer Versetzung, weil er schon zehn Jahre hier ist, und er hat uns das auch angekündigt. Aber, siehe da, heute wurde vermeldet, dass er doch in Anjomakely bleibt. Wir freuen uns natürlich sehr, auch die Schwestern hier. Er hat ja hier mit Sr. Elsy begonnen, das Orphelinat aufzubauen und er steht auch unseren Schwestern immer hilfreich zur Seite. Er hat sie auch sehr optimal in die Pastoral der Pfarrei eingebunden und es gelingt ihm, alle Ordensgemeinschaften hier zu einem guten Miteinander zu führen und zu erhalten.
Es war also heute schon ein großer Gottesdienst in der Kathedrale mit allen Priestern der Diözese, anschließend waren die alle Priester zum Essen eingeladen. Gleich neben der Kathedrale ist ja das große Priesterhaus, in dem jeder Priester der Diözese ein Zimmer hat, damit er jederzeit in der Hauptstadt übernachten kann. Da ist auch ein entsprechend großer Speisesaal. Und gerade, als wir an der Kathedrale ankamen, war das Essen der Priester zu Ende und sie strömten allen auf den großen Platz.
Sr. Julia kennt unzählige der Priester, und so war es ein großes „Halli und Hallo“ mit Begrüßungen, Vorstellen von uns Priorinnen etc. Einige der Priester kennen wir ja auch schon, z. B. P. Jerome, der uns beim letzten Besuch zum Flughafen gefahren hat.
Dann gingen wir, am Grab der seligen Victoire vorbei, zum Palais des Bischofs. Dort saß eine junge Ordensfrau im Empfang, die uns freundlich anwies, auf den vorgegebenen Bänken Platz zu nehmen und zu warten, bis uns der Bischof holt. Die junge Schwester gehört zu einer Ordensgemeinschaft, die von einem der Vorgänger des jetzigen Bischofs gegründet wurde speziell für die Dienste der Diözese. Über dem Eingangstor des Palais hängt das Wappen des Bischofs. Man sieht einen Fuß der gewaschen wird 😊 (Fußwaschung) und darunter steht auf malagasy: „Die Liebe kennt keine Furcht“.
Bischof Jean de Dieu kam dann ca. um halb vier heraus und holte uns in sein ziemlich prachtvoll eingerichtetes Empfangszimmer. Er wirkte etwas müde, was nach diesem für ihn sehr angefüllten Tag kein Wunder war. Er ist seit wenigen Monaten Bischof hier, und gerade dabei, in der Diözese etwas „aufzuräumen“. Wir hatten einen sehr freundlichen, positiven Austausch miteinander. Er freut sich, dass wir in seine Diözese kommen und denkt, dass unser Charisma für die Diözese, für die Stadt, ja für ganz Madagaskar eine Chance, ja sogar ein Glück ist. Er konnte sich aus seinem Gespräch mit Sr. Julia und Sr. Fabienne noch daran erinnern, dass wir ein Grundstück kaufen wollen und fragte nach wie es damit steht. Wir erzählten ihm, wer wir sind, unser Charisma, unsere Lebensweise etc. Er fragte z.B. nach, was „Semicloitre“ = „halbklausuriert“ bedeuten soll, weil er das noch nie gehört hatte. Insgesamt hatten wir ein sehr gutes Gefühl nach dem Gespräch und wir fühlen uns nun wirklich willkommen in der Diözese.
Nach diesem etwa 20-minütigen Gespräch mit dem Bischof gingen wir noch zum Grab der seligen Victoire, der „Apostolin Madagaskars“. Sie ist der erste von der Kirche seliggesprochene Mensch Madagaskars (beim Besuch von Papst Johannes Paul II. in Madagaskar). Hier beteten wie immer viele Menschen an ihrem Grab und stellten ihre Wasserflaschen auf den Sarkophag, damit die Kraft der Victoire auf das Wasser übergeht.
Anschließend fuhren wir noch zum Einkaufen in zwei „Nobel-Geschäfte“ in der Vorstadt von Tana. Dort können auch Europäer einkaufen, ohne übervorteilt zu werden. Wir kauften unsere Essensvorräte für die nächsten Tage und auch Mitbringsel für Europa: Tee, Gewürze, getrocknete Bananen…
Beim Abendessen fiel heute wieder andauernd der Strom aus, sodass wir immer wieder im Finstern saßen, manchmal nur 30 Sekunden, manchmal einige Minuten. Unsere beiden Schwestern haben für diese Fälle eine große Akku-betriebene Lampe, die wir dann schon vorsichtshalber eingeschaltet ließen.
MITTWOCH, 25. OKTOBER 2023
Heute war eine Wallfahrt angesagt. Wir trafen uns schon um fünf Uhr morgens zum Frühstück, um dann um halb sechs mit unserem Auto abzufahren Richtung Ampefy, ein Marienwallfahrtsort, der ca. 70 km von hier entfernt ist. Allerdings mussten wir durch die Stadt Antananarivo und da war schon der große Morgenstau, in dem wir ca. 2 Stunden lang festsaßen. Anschließend gibng es auf der Route National 1 Richtung Ampefy. Diese Straße ist sehr gut ausgebaut und in fast perfektem Zustand, bis auf wenige überraschen kommende Locher. So kamen wir hier relativ schnell vorwärts. Allerdings waren dann in den Ortschaften, durch die wir kamen immer wieder kleinere Staus, sodass wir nach vier Stunden an unserem Ziel ankamen.
Das Sanctuaire von Ampefy ist eine Marienfigur, die auf einem großen „Untersetzer“ auf einem Hügel nahe der Stadt hoch aufragt. Hier ist der geographische Mittelpunkt Madagaskars, es sind also von Norden nach Süden und von Ost nach West jeweils gleich weite Entfernungen. Hier, in der Mitte Madagaskars, wollten Jesuitenmissionare die Mutter Gottes setzen zum Segen und zum Schutz. Die Wallfahrt ist relativ gut besucht, vor allem am Wochenende, und so sind auch, obwohl wir während der Woche hier sind, einige Souvenirverkäuferinnen, die mit ihren Bauchläden auf uns zukommen und uns z.B. selbstgebastelte Schildkröten etc. verkaufen wollen. Auch Fotographen sind, da, die uns fotografieren möchten, und mit dem Verkauf der Fotos etwas Geld verdienen wollen.
Auf dem Weg hinauf fuhren wir an sechs ganz in weiß gekleideten Personen vorbei, vier Frauen und zwei Männer. Unsere Schwestern erkannten sofort, dass es sich dabei um sog. „Exorzisten“ handelt. Die Exorzisten sind eine protestantische Sekte, die sich auf Exorzismus spezialisiert hat. In Madagaskar gibt es 237 christliche Sektenkirchen und ca. 15 % Muslime (das erzählte uns P. Thierry, der seine Doktorarbeit darüber geschrieben hat).
Neben der Marienstatue gibt es eine Kapelle, bei der auch größere Pilgergruppen ihre Gottesdienste feiern können. Das Heiligtum liege auf einer Halbinsel in einen großen See hinein und man hat von hier oben auf alle Seiten hin einen wunderbaren Ausblick auf den See und seine Landschaften rundherum. Viele Menschen leben hier von der Fischerei und diese Fische wollen sie an den Straßen entlang an die hierherkommenden Leute verkaufen.
Auf unserer Wallfahrt begleiteten uns P. Thierry und sein Mechaniker. P. Thierry hat seinen Mechaniker immer dabei, wenn er sich weiter als 30 km von der Hauptstadt entfernt. Das war auch heute wieder notwendig, denn fünfmal mussten die beiden Halt machen, um das Auto zu reparieren.
Weil wir auf der Fahrt zum Heiligtum hin und zurück durch große Waldlandschaften fuhren, waren wir dankbar für die Begleitung durch die beiden. An so manchen Stellen dieser Straße wurden Menschen und sogar einige "Taxi-Brusse" (Kleinbusse, die über Land fahren) von bewaffneten Banditen überfallen und ausgeraubt. Es ist hier zwar ca. alle 5 km eine Polizeikontrolle aufgebaut, die hilft aber scheinbar wenig.
Ampefy ist ein ziemlich touristischer Ort Madagaskars, aufgrund seiner schönen Lage am See. Da gibt es dann auch entsprechende Restaurants. Vom Cousin Sr. Fabiennes wurde uns eines empfohlen, das von einem katholischen Diakon und seiner Familie geführt wird. Es hat eine wunderbare Lage am See, und hier konnten wir auf der Terrasse mit wunderbarem Ausblick auf den See hinaus sehr gut madagassisch zu Mittag essen, für umgerechnet insgesamt ca. 27 Euro für Essen und Trinken für fünf Personen.
Bei der Rückfahrt gerieten wir in einer Vorstadt Antananarivos in eine große Demonstration, die von Polizeit und Militär abgesichert war. Zunächst wussten wir nicht, was das zu bedeuten hat, wir steckten fest in einer großen, uns entgegenkommenden Menschenmasse. Doch dann sahen wir auf einem Wagen, der ganz nah an uns vorbeifuhr auf einem Aufbau oben drauf zehn der 13 Kandidaten der vereinigten Opposition für die Präsidentschaftswahlen nächste Woche hier in Madagaskar. Sie hatten alle weiße Oberkleidung an, ebenso auch ihre Anhängerschaft. Zu ihnen gehören auch die beiden ehemaligen Präsidenten Madagaskars, und sie begrüßten uns in unserem Auto direkt mit Zuwinken und einem Lächeln nur 5 Meter von uns entfernt. Unsere Schwestern waren ganz aufgeregt, die ehemaligen Präsidenten so nah zu sehen.
Auf der Rückfahrt von Ampefy nach Anjomakely legten wir einen Zwischenstopp ein, um die Kathedrale von Miarinarivo zu besichtigen. Aus dem Pfarrhaus nebenan kamen drei Priester, die uns gleich einluden zu einer kleinen Erfrischung, doch wir hatte dazu leider keine Zeit, weil wir um 18 Uhr in anjomakely sein mussten. Der Küster sperrte uns auf, und wir bewunderten die große Kathedrale mit ihren schönen Glasfenstern. Für uns bemerkenswert war der Tabernakel dieser Kathedrale, der sich neben dem riesigen, prächtigen Bischofsthron befindet. Der Tabernakel ist nämlich nur als kleine, ganz einfache Holzhütte gestaltet, so wie sie hier von den Leuten als Wohnhäuser gebaut werden. Wir erkannten dies als ganz richtig, aber halt für uns Europäerinnen etwas ungewohnt. Denn in Bethlehem war Jesus ja auch nur in einer Hütte bzw. „Krippe“.
Für die Rückfahrt nach Anjomakely brauchten nicht ganz so lang wie für die Hinfahrt, weil wir in Tana nur etwa eine Stunde im Stau standen.
Gerade noch rechtzeitig kamen wir zur Messe, die heute im Orphelinat mit allen Kindern und Schwestern gefeiert wurde. Auch Sr. Elsy ist inzwischen aus Vinaninony zurück und will zwei Wochen hierbleiben. Sie kümmerte sich den ganzen Tag lang schon intensiv darum, dass eine neue Solaranlage auf dem Dach installiert wird (die alte gab beim letzten Gewitter ihren Geist auf).
Nach der Messe gab es ein gemeinsames Abendessen mit P. Jaques-Leonce, den Schwestern und den Aspirantinnen. Die Aspirantinnen hatten dafür eine große festliche Tafel aufgebaut.
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